Tilman Winterling: Sichtbarkeit ist ohne Partizipation nicht zu erreichen

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Tilman WinterlingWer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Mein Name ist Tilman Winterling und hauptberuflich bin ich Jurist im Referendariat. Obwohl das juristische Arbeiten bereits stark lektürelastig ist, habe ich mir auch in meiner Freizeit die Passion fürs Lesen erhalten. Seit Ende 2012 schreibe ich zu den besonders erwähnenswerten gelesenen Büchern Rezensionen auf meinem Blog 54books. Die Besprechungen behandeln vornehmlich Klassiker und anspruchsvolle moderne Literatur, aber auch kleinere Debattenbeiträge zur Zukunft des Buchs, digitalen Versionen von Zeitungen oder darüber wie Literaturbloggern vom klassischen Feuilleton wahrgenommen werden.

Dazu gibt es jeden Sonntag ausgewählte Gedichte oder Balladen in der Kategorie „Sonntags: Lyrik!“. Seit kurzem läuft meine neue Interviewreihe „Wie liest Du?“, in der Kritiker, Autoren und Verlagsmitarbeiter, Blogger, Vielleser und Buchhändler ihre Art des Lesens vorstellen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Der typische Arbeitsalltag ist von der Rechtspflege geprägt, im Moment am Landgericht in Stade. Dies ist vornehmlich Arbeit an Akten, aber auch das Hospitieren in Verhandlungen und die Ausbildung in Arbeitsgemeinschaften. Dies kommt über Umwege aber auch meiner Arbeit als Blogger entgegen. Das Pendeln von Hamburg nach Stade bedeutet ausreichend Zeit im Zug für Lektüre und so können an Reisetagen fast anderthalb Stunden netto Lesezeit zusammenkommen. Meist notiere ich schon während der Lektüre einzelne Stellen oder Gedanken, die ich später für die Rezensionen verwenden möchte. Die Zeiten im Zug lassen sich auch hervorragend für die Pflege von Kontakten in den sozialen Medien nutzen. Die Abendstunden gehören dann meist allein Lektüre und schriftlicher Verarbeitung.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Zu Beginn habe ich nur meine Besprechungen geschrieben und online gestellt. Doch bereits nach kurzer Zeit habe ich bemerkt, dass eine Sichtbarkeit ohne Partizipation nicht zu erreichen ist. Also habe ich begonnen mich mit anderen Blogs zu vernetzen und zu twittern. Nach längerem Überlegen habe ich auch eine Facebook Seite eingerichtet, die jedoch nochmal anders als ein Blog gepflegt werden will. Besonders der Austausch mit Bloggern, Treffen auf Buchmessen oder auch bei #PubnPub in Hamburg ist mit der Zeit sehr viel intensiver geworden und bringt viele Synergien, aber auch neue Freunde.

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Es gibt zwei Problemkreise, die mich umtreiben und meine Arbeit berühren. Erstens die Frage nach der Zielgruppe für Klassikerbesprechungen. Denn auch wenn es viele Buch- und Literaturblogs gibt, beschäftigen sich diese zumeist primär mit Unterhaltungsliteratur. Meine Zielgruppe ist zumeist noch auf das klassische Feuilleton fokussiert und nimmt Besprechungen im Internet nicht wahr und/oder ernst. Dies berührt den zweiten Problemkreis, nämlich dem streckenweise schlechten Ruf von Bloggern dahingehend, dass diese nur Schreiben, um kostenlos an Bücher zu gelangen und sich dadurch ihre Meinung diktieren lassen oder generell schlechte Arbeit leisten. Doch gerade im Bereich von moderner und auch anspruchsvollerer Literatur gibt es Blogs, auf denen herausragende, unabhängige Arbeit geleistet wird. Warum diese stellenweise nur innerhalb der Blogospähre wahrgenommen und gewürdigt wird, man stattdessen eher bei Amazon anonymen Rezensenten glaubt, als solchen, die mit ihrer Person und nachvollziehbaren Leseerfahrung für ihre Meinung eintreten, bleibt mir schleierhaft.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Ich freue mich immer wieder sehr über den offenen Kontakt, den ich mit Verlagen führe. In diesen hat man seit Längerem das Werbepotenzial von Bloggern entdeckt. Dass man mir dagegen für ein Rezensionsexemplar eine positive Besprechung in die Feder diktiert hätte, ist mir dagegen noch nie passiert. Im Gegenteil selbst bei Verrissen reagieren die meisten freundlich und bedanken sich für die ehrliche Meinung. Ich freue mich auch immer über andere Blogger mit ähnlichem Literaturfokus. Darüber hinaus suche ich momentan Leute aus der Branche für meine Interviewreihe „Wie liest Du“. Selbstverständlich sind alle neuen Leser und andere Interessierte jederzeit gern gesehen.

Wo finden wir Sie im Internet?

Man findet den Blog unter www.54books.de Aber auch auf Twitter und Facebook. Für persönlichen Kontakt stehe ich gerne unter post@54books.de zur Verfügung.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Tilman Winterling

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