Ulrike Ritter: Ein kleines Jubiläum. Und ein bisschen Nachdenken darüber

Ulrike Ritter: Ein kleines Jubiläum. Und ein bisschen Nachdenken darüber

Ulrike Ritter ist freie Lektorin – und leidenschaftlich bei der Sache. Von Salzburg aus betreut sie mit ihrer Firma textstern* Kunden in Österreich und Deutschland. Hier berichtet sie uns, was den Lektorenberuf so spannend macht, und teilt Gedanken über den Alltag zwischen Texten, Tippfehlern und Stilfragen.

Und auf einmal ist man selbstständig. „Wir prüfen Ihre Unterlagen und schicken Ihnen dann Ihren Gewerbeschein zu. Bis dahin können Sie ab heute auf eigenes Risiko schon Ihr Gewerbe ausüben.“ Es ist jetzt fünf Jahre her, dass der Herr auf der Gewerbebehörde in Linz an der Donau das zu mir gesagt hat. Aufregend war das damals – und ziemlich glücklich macht es mich heute noch. Alles in allem ist Selbstständigkeit eine tolle Sache. Das ist beileibe keine Neuigkeit und von der viel beschworenen zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Flexibilität der Selbstständigen will hier sicher niemand mehr lesen. Auch nicht von den klassischen Ängsten und Sorgen rund um schwankende Einkünfte und niedrige Jahresumsätze, Flauten und miserable Auftragslagen. So manches Wölkchen trübt das schöne Bild vom Selbstständigsein und trotzdem bleibt bei mir das Gefühl von Befriedigung in der Arbeit. Das hat ganz wesentlich damit zu tun, dass Auftraggeber Feedback geben: Wenn etwas gut war, erfährt man das; wenn etwas nicht ok ist, kriegt man das erst recht mit. Also kein stupides Alltagsarbeiten ohne Bewertung und direkte Reaktion, wie das im Angestelltenleben so oft der Fall ist.

Ich habe mir in der letzten Zeit überlegt, was für mich als freie Lektorin in den vergangenen Jahren anders geworden ist. Das große Schlagwort lautet in meinem Fall: Kernkompetenz. Im ersten Jahr meiner Selbstständigkeit habe ich neben Lektorat und Redaktion auch noch Pressearbeit erledigt – weil ich Anfragen dazu hatte. Irgendwann habe ich mir selbst gegenüber den Mut aufgebracht, das Bauchgefühl namens „Ich mag so was nicht machen“ umzuwandeln in die Aussage „Tut mir leid, ich biete so etwas nicht an“. Der Zwang, auf jede Anfrage und jede mögliche Beauftragung positiv reagieren zu müssen, ist bei mir mittlerweile nicht mehr so stark vorhanden. Ich kann mich nicht zurücklehnen und darauf verlassen, dass jederzeit genug Aufträge da sind. Aber ich kann in der Zwischenzeit klarer definieren, wie sich der Bereich, in dem ich arbeiten möchte, abgrenzen lässt. Diese Abgrenzung hat für mich tatsächlich etwas mit „Kompetenzen“ zu tun: Ich weiß, in welchen Arbeitsgebieten ich mich wohl fühle, was ich gut kann und wo im Gegensatz dazu meine eigenen Ansprüche an Professionalität nicht zu 100 Prozent erfüllt sind. Ich glaube, dass diese ganz pragmatische Form von Evaluierung der eigenen Arbeit ein wichtiger Baustein im Selbstständigenleben ist. Darum bin ich heute „nur“ Lektorin und Redakteurin, nicht auch noch Werbetexterin und Pressefrau.

Ganz gravierend verändert hat sich in der Lektoratsarbeit meine Herangehensweise an Texte. Mein Jobbackground ist ein rein kultureller, deswegen lag es nahe, Kunst und Kultur zum Schwerpunkt zu machen – das war auch von vornherein das Ziel. Heute betreibe ich dieses Kulturlektorat ganz stark von einer inhaltlichen Warte, während ich mich zu Beginn der Selbstständigkeit (so empfinde ich das zumindest in der Rückschau) zwar ambitioniert mit der Thematik der Texte beschäftigt habe, letztendlich aber wesentlich pragmatischer – aus der Position einer „Korrekturleserin“ heraus – an die Sache herangegangen bin. Formale Textbearbeitung – also Korrekturlesen – und inhaltliche Auseinandersetzung im Dialog mit dem Auftraggeber verschmelzen heute miteinander. Für mich selbst bedeutet das, dass freies Lektorat im engsten Wortsinne „Arbeit am Text“ ist – in der gleichen Form, wie man das üblicherweise mit der Arbeit eines Verlagslektors verbindet. Mein Wunsch oder mein Vorhaben ist es, mit Auftraggebern zusammenzuarbeiten, die mich als freie Lektorin nicht als gesichtslose Dienstleisterin, die dummerweise in einem fertigen Manuskript noch Tippfehler findet, sehen, sondern die mich als Partnerin bei der Entstehung eines Textes oder eines Druckwerkes zulassen. Das klappt natürlich nicht in allen Aufträgen, die der Arbeitsalltag bringt, aber ich freue mich wirklich und ehrlich über jedes Projekt, das in dieser Grundstimmung über die Bühne geht. Und ich habe das Gefühl, dass ich mit diesem Wunsch zwar auf eine ganz bestimmte Art von Auftraggebern angewiesen bin, dass ich aber mit einem so geschärften „Selbstverständnis“ auf einem guten Weg bin. In diesem Sinne: herzlichen Glückwunsch zum fünften Geburtstag, textstern*!

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