Reinhard Matern: Ich betreibe den AutorenVerlag Matern, suche neue Wege für Belletristik und Philosophie

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Reinhard Matern

Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Seit Anfang der Neunziger Jahre beschäftige ich mich mit dem Verlagswesen. Mein Name lautet Reinhard Matern, ich betreibe den AutorenVerlag Matern und schreibe auch. Das Programm des Verlags umfasst Belletristik und Philosophie, mit einer Konzentration auf analytisch pragmatische Haltungen. In den späten Neunzigern entwickelte sich eine Ausweitung auf ‘Kultur’, dieser separate Bereich ist inzwischen gestrichen. Da von Beginn an kein Kapital zur Verfügung stand, mir von einem Wirtschaftsprüfer nahegelegt wurde, besser Lotto zu spielen, das Ifo-Institut die Spekulation preisgab, Künstler würden ihre eigenen Werke konsumieren müssen, um überhaupt konsumieren zu können, Philosophie als Forschungsbereich gesellschaftlich obsolet wurde, orientierte ich mich anfänglich an Primitive-Press-Verfahren: Die Bücher entstanden mundgelumbeckt (Klebetechnik) und selbstgestrickt (Fadenheftung). Im Werkstattbüro gab es Schneidemaschinen, sogar eine Bücherpresse, darüberhinaus stets zahlreiche halbfertige buchähnliche Produkte. Als erster Satzrechner fungierte ein Atari ST. Der Rechner war den damaligen Macs ebenbürtig, in der Fachsprache nannte man dies: walt-disney-kompatibel. Für die Vervielfältigung gab es ein Copy-Abo. Die Abwicklung im Copy-Shop vollzog jemand, den ich noch aus der Studienzeit kannte. Mit der Entwicklung des Digitaldrucks und von On-Demand-Verfahren konnte die gesamte Herstellung zum Glück ausgelagert werden! Aktuell befindet sich der Verlag im Umbruch: Seit Frühjahr 2013 werden ausschließlich E-Book-Formate produziert, auch wenn die Technik immer noch zu wünschen übrig lässt, besonders im Hinblick auf die Lesegeräte. Mir völlig unverständlich! Den Vertrieb hat das Hamburger New Media Kontor übernommen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Mit Kaffee, Tabak, eMails, Spiegel- und ZEIT-Online beginnt ein typischer Tag, es sei denn, ich habe mich in einen Schreibprozess verfangen. In einem solchen Fall bleiben die Magazine auch mal außen vor. Meine Verlagsarbeit dient primär der Programmgestaltung, dem Marketing und der Bereitstellung der eBooks. Da weiterhin kein Kapital zur Verfügung steht, sind die möglichen Schritte begrenzt. Und es gilt etwas zu beachten: Belletristik und Philosophie lassen sich nicht durch Billigangebote, Gewinnspiele und allerhand Dönekes bekannter machen noch leichter verkaufen. Wer auf solche Social-Techniken anspricht, hat an den relevanten Produkten kaum Interesse. Derzeit sind leider überwiegend die eBook- als auch Social-Techniken im Gespräch – und das Urheberrecht. Um Literatur geht es kaum jemanden, auch in den Feuilletons nicht. Gesellschaftlich und im Hinblick auf Innovationen ist die Literatur fast tot. Da mir ohnehin nur kleine Schritte möglich sind, mit Facebook, Tumblr und einigen Blogs, könnte mir dies fast egal sein. Dennoch hielte ich es für verfehlt, für die miserable Lage der Literatur die digitalen Techniken verantwortlich zu machen, wie dies nicht wenige Autoren und Verleger entlastend tun. Auch die positive Aufnahme der Techniken durch den zukünftigen Hanser-Verleger, seine Werbung für eine verlegerische Dienstleistungsfunktion, geht an der Sache vorbei. Nichts über Sprache. Aber ich ärgere mich nicht den ganzen Tag. Die erstaunliche Sprachlosigkeit fällt mir lediglich auf – und kann motivieren.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

Kaum etwas hat sich verändert, lediglich einige Techniken in Herstellung, Marketing und Vertrieb. Da der AutorenVerlag ohnehin stets am Rande dessen stand, was man als Markt bezeichnet, haben die dort stattfindenden drastischen Veränderungen kaum Auswirkungen. Das besondere Interesse an sprachlich Neuem ist geblieben. Und da mir das Internet seit den frühen Zeiten vertraut ist, auch das nach und nach entwickelte HTML und CSS, fiel die Produktionsumstellung kaum ins Gewicht. Primär galt es zu erfahren, was die Lesegeräte an Software implementiert haben, und was nicht. Interessant geworden ist, dass sich die Unix-Welt inzwischen zu einer praktikablen Alternative für Arbeitsrechner entwickelt hat, besonders im Umfeld digitaler Produktionen. Mit Ubuntu ist man beispielsweise den Produktstrategien von Apple, Microsoft und führenden Herstellern von Publishing-Lösungen nicht mehr ausgesetzt, und dies zu einem Preis, der einer Gemeinnützigkeit verpflichtet ist. Ich kenne aus meinem Umfeld Bemühungen, journalistische Tätigkeiten als gemeinnützige anzuerkennen, ebenfalls die Strategie, ein gemeinnütziges Vertriebsportal für Bücher zu schaffen. Vielleicht wird eine solche Ausrichtung in Zukunft die einzige sein können, die die rabiaten Prozesse, die bereits in den Achtziger Jahren mit Marktkonzentrationen und Gewinnorientierungen wie im Konsumgüterbereich begonnen hatten, überlebt.

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Der AutorenVerlag arbeitet in einer sehr spezifischen, im deutschsprachigen Raum zudem ungewöhnlichen Nische. Das Interesse gilt der Weiterentwicklung analytischer Philosophie, die in einige Sackgassen geraten ist, ebenso einer Belletristik, die ihre sprachlichen und ästhetischen Grundlagen berücksichtigt, nicht einfach drauflosplappert und glaubt, es ginge primär um Geschichten. Was hat literarische Kunst mit Geschichten zu tun, und mit noch einem Roman? Worum geht es überhaupt, kann es gehen? Dies sind die sachbezogenen Themen und Fragen, die verlagsintern interessieren. Und im Hinblick aufs Marketing: Wie vermittelt man dieses Interesse an eine lauthals schweigende Öffentlichkeit?

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Kontakte zu Menschen mit ähnlichen oder teilweise ähnlichen Interessen.

Wo finden wir Sie im Internet?

http://www.autorenverlag-matern.de
https://de-de.facebook.com/AutorenVerlagMatern
http://kathrina-talmi.tumblr.com/
http://www.freitag.de/autoren/rmatern
http://www.reinhardmatern.de
http://www.xing.com/profile/Reinhard_Matern
https://www.facebook.com/reinhard.matern
http://www.helgebol.de

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Thomas Rodenbücher

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