Malte Herwig: Die Medienszene wird immer mehr ein Feld für Einzelkämpfer werden

Die folgenden sechs Fragen unserer Interview-Reihe werden regelmäßig von den unterschiedlichsten Köpfen der Buchbranche beantwortet und die Interviews werden hier im Blog veröffentlicht. Dadurch entstehen Beiträge, die zum einen Aufmerksamkeit auf jene lenken, die “was mit Büchern machen”, und die zum anderen die Veränderungen und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen der Branche sichtbar werden lassen. Wenn Sie ebenfalls teilnehmen möchten, senden Sie Ihre Antworten und ein Bild von Ihnen bitte an Leander Wattig. Als Inspirationsquelle könnten Ihnen die bisherigen Interviews dienen. (Jedoch behalte ich mir vor, nicht alle Zusendungen zu veröffentlichen.)

Malte Herwig Wer sind Sie und was machen Sie mit Büchern?

Ich bin Malte Herwig und arbeite als Reporter für das Magazin der Süddeutschen Zeitung und andere, mache ab und zu Radiobeiträge und an ganz wilden Tagen Cartoonagen – das Making of einer großen Reportage als Cartoon. Außerdem schreibe ich Bücher: Eliten in einer egalitären Welt (2005); Meister der Dämmerung: Peter Handke. Eine Biografie (2010); Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden (2013). Außerdem zerschneide ich die Bücher anderer Leute und scanne sie ein – nur für den Privatgebrauch, versteht sich.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Schreiben am Morgen, telefonieren am Nachmittag, lesen am Abend. Das wäre ideal. Aber meistens läuft es anders, weil ich als Journalist den Finger am Puls der Zeit oder, wie der Engländer sagt, in jedem Kuchen haben muß. Man muß hier und da immer wieder bohren, langfristig planen und Quellen pflegen, und trotzdem Ideen entwickeln.

Wie hat sich Ihre Arbeit über die Zeit verändert?

“Braucht man zum Dichten Schlaf und Zigaretten?” lautete eine Zeitungsumfrage, auf die Thomas Mann mal antwortete: Je, nun. Ich brauche für meine prosaische Arbeit definitiv Macbook, iPad, iPhone – und zwar nicht aus modischen Gründen, sondern weil ich die Einfachheit beim Navigieren und Produzieren schätze. Schon jetzt läßt sich mit einer externen Tastatur gut auf dem iPad in Pages schreiben, ohne daß man von Tausend Knöpfchen abgelenkt wird. Wenn selbst der Kauf eines Mocca-Chai-Lattocino-Kaffees vor lauter Optionen so kompliziert geworden ist wie der Abschluss eines Mobilfunkvertrags, bin ich ganz froh, daß Herr Jobs es mir durch gutes Design von Soft- und Hardware ermöglicht, mich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Die finden nie im Werkzeug, sondern immer im Kopf statt. Eine große Erleichterung in den letzten Jahren sind die vielen Cloud-Dienste wie Dropbox oder iCloud, die das Synchronisieren von Dokumenten auf allen Geräten ermöglichen, so daß ich von überall aus Zugang habe. Selbst für aufwändigen Buchrecherchen lege ich keine Aktenordner mehr an, sondern scanne bzw. fotografiere Dokumente. Dank solcher technologischen Fortschritte kann ein einzelner Reporter mit dem richtigen Gerät heute oft mehr leisten und schneller sein als die Rechercheapparate kolossaler Verlage. Die Medienszene wird immer mehr ein Feld für Einzelkämpfer werden, die ihre Arbeit an einige wenige Großverlage verkaufen, die sich zu reinen Produktions- und Distributionskanälen entwickeln.

Was ist ein Problem bei Ihrer Arbeit, für das Sie eine Lösung suchen?

Handschrift. Sie war nie schön oder elegant, nicht einmal exotisch. Ich habe schon früh das Zehnfinger-Blindsystem gelernt (noch auf der Schreibmaschine), was mir beim Schnellen arbeiten sehr zuhilfe kommt – auf Kosten meiner Handschrift, von der ich mich zunehmend entfremdet habe. Als Reporter kann man aber keine Notizen in sein Handy tippen, da bleibt nur das gute alte Notizbuch. Bei mir ist es immer ein rotes Leuchtturm A6, das hinten perforierte Seiten zum Rausreißen hat, Seitenzahlen (gut für ein nachträgliches Inhaltsverzeichnis) und andere Ausstattungsmerkmale, die man bei den teureren Moleskines nicht findet. Ich habe mal überlegt, das Handschriftproblem zu lösen, indem ich Stenographie lerne. Leider habe ich noch nicht die Zeit dazu gefunden.

Wer sollte Sie ggf. kontaktieren – welche Art von Kontakten wäre zurzeit hilfreich für Sie?

Alle Blogger oder Literaturseiten, die Rezensionen meines neuen Buchs über die Flakhelfer schreiben möchten (erscheint im Mai 2013 bei der DVA, Video gibt es hier)

Wo finden wir Sie im Internet?

www.publicorum.com

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Bildquelle: Malte Herwig

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