Stefan Krücken: Am Kap der Stürme

Stefan Krücken: Am Kap der StürmeStefan Krücken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (Fb). In seiner Kolumne “Unser kleiner Verlag” gibt er uns Einblicke hinter die Verlagskulissen.

Als meine Frau Julia und ich entschieden, es mit „Ankerherz“ zu versuchen, machte ich mir manchmal Sorgen. Nicht so sehr um finanzielle Dinge, um Schulden oder den Vertrieb oder all diesen Kram, mit dem man sich als Verleger rumärgert, sondern um mein altes Leben. Ich war Reporter gewesen für Magazine wie „max“, „GQ“ oder den „Stern“, und es war das aufregendste Leben, das man sich vorstellen konnte: Ich ging mit Hooligans in Glasgow zum Fußball, tauchte mit Orca-Walen in Nordnorwegen, raste in einem Ferrari durch Italien und ritt durch Kanadas Wildnis, landete auf US-Flugzeugträgern vor Pakistan oder verfolgte Londons Paparazzi, ekelte mich vor Rassisten in der Wüste Südafrikas, spielte erfolglos in Las Vegas und weinte mit Kindern auf einer philippinischen Müllhalde. Hongkong, Kitgum, Snake River – mein Leben war eine Dauersendung von Abenteuern. Wie sollte das als Verleger weitergehen?

Stefan Krücken: Am Kap der Stürme

Doch dann erschien unser Buch „Sturmkap“ – und es zeigte sich, dass die wilden Reisen nicht vorbei waren. In „Sturmkap“ geht es um die Geschichte von Kapitän Jürgens, der 1939 auf dem letzten Großsegler im Liniendienst Kap Hoorn umrundet hatte und dann in eine Welt im Krieg geriet. Sieben Jahre dauerte seine Odysee über vier Kontinente. Wir fragten Axel Prahl, unseren Lieblingskommissar, der selbst eine krumme Biografie hat, ob er das Buch – ein „mitreißender Bericht“ („Stern“), der „viele Menschen in Deutschland bewegte“ (NDR Hörfunk) – als Hörbuch einlesen wollte – und er sagte sofort zu. Wir stellten das Ergebnis im feierlichen Rahmen im Internationalen Maritimen Museum Hamburg vor – und am nächsten Morgen klingelte im Verlag das Telefon. Ein Vertreter der Reederei Deilmann war am Apparat: Ob wir vielleicht Lust hatten, mit Prahl und Kapitän ums Sturmkap zu reisen, an Bord der „MS Deutschland“, dem Traumschiff aus dem ZDF-Abendprogramm? Ich freute mich so sehr, dass ich in diesem Moment selbst Sascha Hehn, den ewigen Steward, geknutscht hätte.

Einige Monate später standen wir drei auf der Brücke und steuerten Kap Hoorn an. 21 Tage sollte unsere Reise dauern, mit den Eisbergen der Antarktis, Walen, Windstärke Zwölf vor den Falkland Inseln, fünfzehn Meter hohen Wellen. Wir saßen bis zum Sonnenaufgang im „Alten Fritz“, der Bar auf Deck Sieben, und hörten Axels Gitarrenspiel und seinem Gesang zu. Wir tranken mit dem alten Kap Hoornier Gin Tonic, bis wir den Überblick verloren, wir lachten und diskutierten und genossen jeden Tag, und als wir schließlich in Buenos Aires von Bord gingen, hatten wir etwas erlebt, das keiner von uns vergessen wird. Der Begriff „Freund“ wird in der heutigen Zeit gerne strapaziert, doch ich denke, wir sind Freunde geworden: der alte, brummige Kapitän, 88, der mittelalte, bisweilen brummige Schauspieler, 52, und ich (wie brummig ich bin, sollen bitte andere beurteilen). Etwas Besonderes war in vielen Stunden auf dem Ozean entstanden. Für mich war es das Verständnis für die Generation meines Großvaters, der Arbeiter gewesen war und nie viel von sich preisgegeben hatte. Und ein Eindruck von der Wut der See in einem Orkan. (Der alte Kapitän hatte den Orkan verschlafen, nur am Rande.)

Die Route:

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Das Schiff:

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Im “Wohnzimmer” an Deck Sieben: Axel Prahl, Stefan Krücken (Ankerherz), Kapitän Jürgens:

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Ein bisschen Spaß muss sein:

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Ushuaia:

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Am Kap Hoorn:

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In der Antarktis, Bransfield Strait:

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Sturm im Südatlantik:

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Am Morgen nach dem Sturm und durch den Wind: Axel Prahl, Stefan Krücken:

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Die Magie einer Nacht lässt sich nicht wieder holen, doch manchmal blitzt auf, was die Reise ans Sturmkap besonders machte. In Köln durften wir vor zwei Jahren die lit.cologne vor knapp neunhundert Gästen auf dem Rhein eröffnen und erst vor wenigen Tagen saßen wir im ausverkauften Saal des Schlosses von Celle. Axel las grandios wie immer, die Leute hörten auch dem Gespräch der Moderatorin mit dem Kap Hoornier gebannt zu, und als Prahl sein „Sturmkap“-Lied anstimmte, das er zu Ehren des Seemanns für das Audiobuch komponiert hatte, erhoben sich die Besucher von ihren Plätzen. Ich wußte: Meine Sorgen waren unbegründet gewesen. Das Abenteuer geht weiter. Nur ein bisschen anders.

Stefan Krücken: Am Kap der Stürme

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Bildquelle: Stefan Krücken

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