Gast sein – ein Text zur Gastfreundschaft von Wibke Ladwig

Setz’ dich. Bist du durstig? Hungrig? Müde? Brauchst du erstmal Ruhe? Möchtest du dich vielleicht hinlegen?
Es war eine lange Fahrt. Nun bin ich da. Ein Gast.

Gast sein. Ich betrete die Erwartungen meiner Gastgeber. Man freut sich auf mich. Aufgeregte Gesichter. Endlich können wir mal miteinander reden, hast du das nicht auch so vermisst. Hier, iss’ doch noch was, ich habe den ganzen Tag in der Küche gestanden, es sollte was Besonderes, diese Schlepperei immer, aber ist doch schön, wenn man mal Gäste hat. Sonst schätzt das ja nie jemand. Wie schaust du denn, fehlt dir was und habe ich dir schon erzählt, du weißt doch, die Schwester der T., die kennst du doch, die wohnte doch damals. Ich bin da und wünsche mich weg.

Gast sein. Ich betrete die Wohnung und lande in Armen. Ich komme an. Für einige Stunden lebe und koche und esse und rede ich mit, als sei ich Alltag. Ich greife mir aus vertrauten Schubladen ein Messer heraus. Wir schnibbeln. Jemand kommt rein, holt was, geht wieder raus. Wir schluffen in Wollsocken über wollbemauste Dielenböden. Vielleicht reden wir. Vielleicht lesen wir. Vielleicht reden die anderen noch in der Küche und ich darf nebenan in der Wolldecke liegen und lesen. Ich bin da und atme aus.

Gast sein. Aber ein bisschen zuhause sein dürfen.

Gast sein – ein Text zur Gastfreundschaft von Wibke Ladwig
Foto: (c) Wibke Ladwig

 

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Wibke Ladwig begleitet Bibliotheken, Buchhandlungen und Kultureinrichtungen im digitalen Raum und passt auf, dass sie nicht von Bären gefressen werden. Sie beschäftigt sich mit digitaler Identität und Szenografie und wie man den digitalen und den analogen Raum miteinander verbinden kann. Momentan schreibt sie am liebsten ihr inoffizielles Blog voll anstatt sich um den Relaunch ihrer offiziellen Website zu kümmern.

Gast sein – ein Text zur Gastfreundschaft von Wibke Ladwig
Foto: (c) Wibke Ladwig

 

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Mit #orbanismgastfreundschaft, einem Blog- und Gratis-E-Book-Projekt wollen wir vorsätzlich positive Bilder, Gedanken und Vorstellungen in die Welt und zum Zirkulieren bringen. Wir hoffen, es so wieder plausibler zu machen, dass es zum Menschsein gehört, anderen Freundlichkeit entgegen zu bringen und ihnen in Notsituationen auch Schutz zu gewähren.

Wir laden euch herzlich ein, uns weitere Texte zum Thema selbst erlebte Gastfreundschaft (Umfang bis 3.000 Zeichen, kann aber auch ganz kurz sein) zu schicken, die wir bloggen und in einer versionierten E-Book-Anthologie bei Orbanism Publishing veröffentlichen dürfen. Wenn Letzteres, etwa aufgrund von Buchverträgen, nicht möglich ist, können wir Texte gern auch nur bloggen. Bitte Text mit Ein-Satz-Bio in der 3. Person, dazu optional ein Link zu eigenem Herzensprojekt, gern auch ein thematisch passendes Foto sowie ein Bild, das euch selbst zeigt (bitte nur Bilder, bei denen ihr die Rechte besitzt) , per Mail an Christiane Frohmann, cf AT orbanism DOT com, senden. – Wir möchten die Rechte an den Texten und ggf. Bildern nicht exklusiv, bitte achtet aber darauf, dass ihr spätere Nutzer auf unser Nutzungsrecht hinweist. Bitte bei diesem Projekt, weil es um persönliche Haltung geht, keine Texte unter Pseudonym einreichen.

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